Oral Reconstruction International Symposium 2022

Fokus auf Timing, Biologie und regenerative Ersatzmaterialien

Schnelle und minimal-invasive Protokolle erfordern weniger chirurgische Eingriffe, senken die Behandlungskosten und erhöhen dadurch die Patientenzufriedenheit. Obwohl die dafür notwendigen Techniken anspruchsvoll sind, liegen sie im Trend und werden zumindest in Fallberichten immer häufiger empfohlen. Das Oral Reconstruction International Symposium (ORIS) in München, veranstaltet von der Oral Reconstruction Foundation (Stiftungspartner Biohorizons Camlog, Basel) stand unter dem Motto „Dream & Reality – Treatment Concepts and Trends“. Parallel fand ein Zahntechnikkongress statt, zusammen waren mehr als 1.000 Teilnehmer vor Ort.

Knochenniveau stabilisieren

Mit konischen Implantat-Aufbau-Verbindungen und Platform Switching lässt sich das periim­plantäre Knochenniveau bei epi- oder subkresta­ler lmplantatposition stabilisieren. Eine Reihe von Studien zeigt dies für Conelog-lmplanta­te (Camlog) mit ihrer klar definierten Einbring­tiefe im Verhältnis zum Knochen (2-4). Der in Münster niedergelassene Privatdozent Dr. Arndt Happe demonstrierte dies anhand einer um­fangreichen retrospektiven Studie auch für Im­plantate mit flacher Tube-in-Tube-Verbindung (Camlog-lmplantate). Einbezogen wurden Einzelkronen und Brücken auf Titanbasen, in Kombination mit Zirkonoxid­abutments oder -abutmentkronen. Nach einer von der Oral Reconstruction Foundation ge­förderten ln-vitro-Studie erwiesen sich Hybrid­abutmentkronen aus Lithiumdisilikat mecha­nisch belastbarer als solche aus Zirkonoxid (Dr. Joao Pitta, Arbeitsgruppe Prof. Dr. lrina Sailer, Universite de Genève). Welche Rolle die Ver­wendung der Restaurationen im Front- oder Sei­tenzahnbereich spielt, wurde in München nicht im Detail diskutiert.

Biologisch bedeutsam ist die Frage, wie häufig nach Implantationen Gingivaformer, Abutment oder temporäre Abutmentkrone gewechselt werden. Dr. Ana Molina (Universidad de Complutense Madrid, Spanien) zeigte im Young Clinicians‘ Research Forum anhand einer ran­domisiert-kontrollierten Studie, dass bei sofor­tiger definitiver Befestigung des Abutments ca. 50 Prozent weniger Knochen verloren gehen als bei einfachem Abutmentwechsel (0,7 vs.1,4 mm nach 12 Monaten, Conelog; Publikation in Vor­bereitung).

Weichgewebe erhält Knochen

Soll das Weichgewebe zunächst mit temporären Komponenten ausgeformt werden, haben sich CAD/CAM-Gingivaformer und Abformpfosten aus PEEK bewährt (zum Beispiel Dedicam, Cam­log). In Verbindung mit intraoperativer Positi­onsbestimmung mit einem intraoralen Scanner lässt sich auf diese Weise minimal-invasiv ein na­türliches Emergenzprofil erreichen (Dr. Claudio Cacaci und Uwe Gehringer, Zahntechniker, beide München). Dieses ist später auch für die definiti­ve CAD/CAM-Versorgung verwendbar.

Um periimplantären Knochenverlust zu vermeiden, empfiehlt der in München lehrende Privat­dozent Dr. Michael Stimmelmayr (Cham) Platform Switching und eine Weichgewebsdicke von 3-4 mm über der lmplantatplattform. Dies sei besonders wichtig, wenn ein Abutmentwechsel nicht vermieden werden kann. Während Vestibu­lumplastiken autogene Schleimhauttransplanta­te erfordern (Höhe des befestigten Weichgewe­bes: 4 mm), kann für Weichgewebsverdickungen xenogene azelluläre dermale Matrix (ADM) vom Schwein verwendet werden (zum Beispiel Novo­matrix, Camlog). Erfolgsentscheidend ist laut Prof. Dr. Katja Nelson (Universität Freiburg), dass die Matrix möglichst komplett weichgewe­big abgedeckt wird (siehe Beispiel Seite 8).

Augmentationen mit PRF boostern

Für aus Eigenblut gewonnenes Platelet Rich Fi­brin (PRF) existiert Evidenz zur Indikation Kie­ferkammerhalt. Der Hamburger Zahn­arzt Dr. Jan Klenke empfiehlt PRF in Kombination mit Knochenersatzmaterial zusätzlich für die Zu­bereitung von „Sticky Bone“. In Verbindung mit allogenen Knochenblöcken hat sich das Blut­produkt laut Prof. Dr. Juan Blanco Carrión (Santiago de Compostela, Spanien) auch für Defekte mit erheblichem Knochendefizit bewährt. Zu­sätzliche in München gezeigte Indikationen für PRF sind Wundheilungsförderung und gesteu­erte Knochenregeneration (GBR), zum Beispiel in Kombination mit Knochenersatzmaterial und azellulärer dermaler Matrix.

Wenn möglich sofort implantieren

Die Erfolgsrate von Sofortimplantationen ist laut Dr. llaria Franchini (Mailand, Italien, und Stutt­gart) grundsätzlich gut, allerdings nur bei korrekter Indikationsstellung und ausreichend kli­nischer Erfahrung. Verzögerte Protokolle empfiehlt Franchini, wenn die Patientenmitarbeit schlecht, die ästhetische Prognose unsicher ist oder wenn akute Entzündung oder ungünstige Defektkonfigurationen vorliegen. Einer die­ser Faktoren reiche als Kontraindikation aus.

Der Privatdozent Dr. Markus Sehlee (Forchheim) bewertet Sofortprotokolle im Oberkieferfront­zahnbereich (15 bis 25) bei gegebener Indikation als alternativlos. Da lmplantatachse und Emer­genzprofil entscheidenden Einfluss auf die re­sultierende Weichgewebsdicke haben, seien diese Faktoren bedeutsamer als der Phänotyp. Sehlee bevorzugt nach Möglichkeit lappenlose Eingriffe. Für Dr. Sven-Marcus Beschnidt sind So­fortprotokolle ebenfalls mehr als ein Trendthe­ma. Der in Baden-Baden niedergelassene Pro­thetikspezialist präsentierte eine Versorgung mit 3-D-geführter Implantation und sofortiger defi­nitiver Abutmentbefestigung.

Fazit

Das Internationale Symposium der Oral Reconst­ruction Foundation bot – wie seit 2006 bei dieser Kongressreihe üblich – relevante Forschungser­gebnisse und praxisnahes Wissen rund um lm­plantologie und Augmentation. Die vorgestellten minimal-invasiven Techniken haben bei richtiger Anwendung das Potenzial, die Wundheilung, das regenerative Ergebnis und damit die periimplan­tären Gewebsdimensionen zu verbessern. Bei­des ist wesentlich für das ästhetische Ergebnis und die Langzeitstabilität implantologischer Versorgungen.

Aus der Praxis: Weichgewebsverdickung mit azellulärer dermaler Matrix

mit freundlicher Unterstützung von Prof. Dr. Tobias Fretwurst, Freiburg
Abb: Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgie, Universitätsklinikum Freiburg

  • Abb. 1 und 2: Bei der Freilegung von Implantaten im zahnlosen Oberkiefer wird zur Weichgewebsverdickung
    eine azelluläre dermale Matrix eingebracht (Novomatrix, Camlog).
  • Abb. 3: Um Rezessionen durch inserierende Bänder und Muskeln zu vermeiden, wird im selben Eingriff mit einem apikal verschobenen Spaltlappen eine Vestibulumplastik durchgeführt (freie Granulation). Die Matrix sollte vollständig bedeckt sein und keinen Kontakt zur Mundhöhle haben.
  • Abb. 4 und 5: Ergebnis nach Abheilung und Versorgung mit einer Stegprothese: Die bukkale Mukosa ist für ein stabiles Knochenniveau erfolgreich verdickt, das befestigte Weichgewebe hat eine ausreichende Höhe.

Aus der Praxis: Implantatlager-Aufbereitung mit PRF

mit freundlicher Unterstützung von Dr. Claudio Cacaci, München
Abb: Dr. Claudio Cacaci, Implantat Competence Centrum, München

  • Abb, 1: Bei einer 71-jährigen Patientin waren nach länger zurückliegendem Verlust von Zahn 26 weniger als 2,7 mm Restknochen über dem Sinus vorhanden (DVT-Panorama-Ansicht). (Literatur: Lv H, et al. Clin Oral lmplants Res 2022;33 700-712 )
  • Abb. Z bis 4: Für den transkrestalen Sinuslift wird nach der lmplantatlager-Aufbereitung Platelet Rich Fibrin (PRF) mit einem Osteotom als feste Phase eingebracht.
  • Abb. 5: Kontroll-DVT nach Osseointegration – Panorama-Ansicht des Kontroll-DVT: Um das kurze Implantat hat sich in allen Dimensionen physiologisch ausgeformter Knochen gebildet. Das Implantat kann im nächsten Schritt mit einer Krone versorgt werden.

Oral Reconstruction International Symposium 2022

Dr. Claudio Cacaci

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